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"Nie wieder Krieg": Wir haben uns getäuscht

Vorbemerkung: Gerhard W. war erst etwas skeptisch, von sich zu erzählen, weil er sich fragte, wen denn seine Lebensgeschichte heute noch interessieren würden. Er hat sich dann aber überzeugen lassen, dass nicht nur die Erinnerungen älterer Menschen vor dem Vergessen bewahrt, sondern auch vor allem die jüngere Generation durch die Zeitzeugenberichte "vor einem Rückfall in barbarische Zeiten immunisiert“ werden sollten. So wurde ihm immer klarer, dass seine persönlichen, subjektiven Erinnerungen an die Nazizeit und den Krieg ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Teil des kollektiven Gedächtnisses unserer Nation sind, und dass sie es wert sind, aufgeschrieben zu werden. Das war sicher ein schmerzlicher Prozess, aber auch tröstlich und heilsam. Den Titel „Man wird gelebt“ bestimmte er, weil er in seinem Leben so vielen Zwängen ausgesetzt war, so ein fremdbestimmtes Leben führte und sich oft ohnmächtig fühlte und nicht immer Herr seines Schicksals sein konnte.

Seine Kindheit erlebte Gerhard W. in einer schlesischen Familie in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen (1). Er wurde 1918 geboren. Zur Familie gehörte der um acht Jahre ältere Bruder Otto und die zwei Jahre jüngere Schwester Ilse.



Mein Vater war ein ganz besonderer Mann

Vater Johann Ernst Karl W. wurde 1885 in Schlesien auf dem Hof seiner Eltern (meine Großeltern, väterlicherseits) geboren, machte nach der Schule eine Lehre als Schmied und lernte „Hufbeschlagschmied“. In der Lehrzeit brach in seinem Heimatdorf ein Feuer aus, das auch das Haus meiner Großeltern betraf. Meine Großmutter kam dabei um und da mein Großvater schon früh an einer Lungenkrankheit gestorben war, wurde mein Vater nun Vollwaise.


Nach altem Brauch ging mein Vater nach Ende seiner Lehrzeit auf Wanderschaft („auf die Walz“), bis er schließlich in Lissa bei Posen landete, wo er in verschiedenen Metallhandwerksbetrieben arbeitete. 1907 heiratete er Auguste Lange. Als dann 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde mein Vater vom Kriegsdienst freigestellt, da er im Betrieb „unabkömmlich“ war und deshalb nicht eingezogen wurde.


Aus Schlesiern wurden Polen: Flucht

Nach Kriegsende wurde die Provinz Posen an Polen abgetreten, und alle Bewohner wurden automatisch polnische Staatsbürger. Meine Eltern wollten dort nicht bleiben, denn sie sprachen ja nicht einmal Polnisch. Aber sie durften nicht ausreisen. Allerdings war mein Vater bereits kurz nach Kriegsende über die von Polen bewachte Grenze geflohen, was nicht ungefährlich war.


Meine Mutter erzählte oft, wie sie Tag und Nacht voller Angst aus dem Fenster geschaut hat, wenn Fuhrwerke vorbei kamen, mit denen die Polen die Toten und Verwundeten zurück brachten, die sie bei der Flucht erwischt hatten. Aber mein Vater hatte die Flucht gut überstanden und fand zunächst in Schweidnitz in Schlesien eine Arbeitsstelle.


Im April 1921 durfte meine Mutter mit den drei Kindern, also mit Otto, Ilse und mir, nach Schweidnitz ausreisen. Mein Vater arbeitete inzwischen als Maschinist in der Ziegelei in Waldenburg-Altwasser (2). Ich erinnere mich an die Ziegelei, als wir ankamen. Wir besaßen nur das, was wir am Körper trugen.

Insgesamt hatte ich eine behütete Kindheit ohne besondere Not. Wir bekamen eine kleine Betriebswohnung, die aus zwei Zimmern bestand, einem Wohnzimmer mit einem Kachelofen und einer großen Küche. Eine Wasserstelle gab es auf dem Flur, die Toilette, ein Plumpsklo, war draußen, was damals üblich war. Für die nächtlichen Bedürfnisse gab es ein „Töpfchen“ unter dem Bett.

Ich schlief in der Küche. Es ging uns während der Hauptphase der Inflationszeit (3) wirtschaftlich zwar nicht gut, aber wir hatten einen Stall mit Hühnern, einer Ziege und einem Schwein. Da sehr viele Menschen nichts zu essen hatten, bewachte Vater nachts abwechselnd mit einem Nachbarn unseren Stall vor Einbrechern.

Mutter und wir Kinder haben auf den Feldern Ähren gesammelt, damit wir etwas zu essen hatten, die wir in Vaters selbst gebauter Schrotmühle verarbeiteten. Und wir haben im Herbst die Kartoffeln eingesammelt, die nach der Ernte liegen geblieben waren.


Nie vergessen werde ich, wie die Unterwäsche von uns Kindern aussah: Die Jungen trugen ein einteiliges Unterwäschestück, das über den Kopf angezogen werden musste. Vorne konnte man es aufmachen und hinten war eine Art Klappe, die man für größere „Geschäfte“ öffnen konnte. Für Frauen gab es noch keine Büstenhalter, sie trugen „Leibchen“ oder ein Korsett. Saugstarke Hygieneartikel, wie es sie heute gibt, waren unbekannt. Man musste die Monatsbinden aus Stoff selbst auswaschen. Die Unterhosen für Damen hatten keinen Gummizug, sondern nur eine Kordel. Der hintere Teil war übereinander gelegt und wurde auseinander gezogen, wenn die Frauen auf der Toilette saßen.


Große Wäsche und heiße Ziegel

Wenn die Wäsche gewaschen wurde, war das immer eine äußerst anstrengende Sache. Waschmaschinen gab es selbstverständlich noch nicht. Zuerst wurde die schmutzige Wäsche eingeweicht, dann in einem großen Kessel auf dem Herd gekocht und mit Schmierseife und Soda gewaschen. Dazu wurde ein Waschbrett benutzt. Um das Bügeln zu erleichtern, hat mein Vater für meine Mutter eine Bügelmaschine gebaut. Die Bettwäsche brachten wir in einem großen Korb zum Mangeln. Wir Kinder mussten dann die Kurbel drehen.



Einmal in der Woche wurde gebadet. Dazu holte mein Vater die große Zinkwanne in die Küche, und dann badeten nacheinander alle Kinder darin. Ab und zu wurde heißes Wasser nachgegossen. Es musste ja auf dem Herd mühsam erwärmt werden. Anschließend badeten meine Eltern mit frischem Wasser. Es gab nur Kernseife zur Körperreinigung.


Meine Eltern sorgten immer dafür, dass wir im Winter nicht frieren mussten. Wir hatten einen Kachelofen, in dem man sogar einen Braten garen konnte. Am Abend wurden Ziegelsteine hineingelegt, um sie aufzuwärmen. Diese wurden dann in Tücher gepackt und in unsere Betten gelegt, so dass sie schon angewärmt waren, wenn wir ins Bett kamen.


Einkaufen und Selbstversorgung damals

Das Einkaufen war früher nicht so einfach wie heute, denn Supermärkte gab es noch nicht, auch Plastiktüten nicht. Es gab einen Kolonialwarenladen etwa einen Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Die Margarine war in einer Tonne, und man bekam etwas auf ein Stück Pergamentpapier. Zucker, Mehl, Linsen, Erbsen u.a. waren in Säcken und wurden nach Bedarf in Papiertüten gepackt und abgewogen. Der Preis musste im Kopf ausgerechnet werden. Mechanische oder gar elektronische Registrierkassen wurden erst viel später erfunden.


Butter kauften wir auf dem ziemlich weit entfernten Markt, auf dem die Bauern ihre Waren verkauften. Oft bekam ich etwas zum Probieren. Ich bin immer gern mit meiner Mutter auf den Markt gegangen. Meine Aufgabe war es auch, Brot einzukaufen. Ich bekam einen Rucksack und kaufte immer zwei Brotlaibe vom Vortag. Bei diesem Bäcker hat dann mein Bruder seine Bäckerlehre gemacht.


In der Woche gab es bei uns meistens Eintopf. Da wir gelegentlich ein Schwein schlachteten, hing immer ein Schinken in der Speisekammer. Unsere Ziege hielten wir hauptsächlich wegen der Milch. Natürlich wurde auch sie irgendwann geschlachtet und landete im Kochtopf, genau wie die Hühner, die wir hatten. Aus der Ziegenmilch machte meine Großmutter Ziegenkäse. Dazu kam Milch in eine Flasche mit breitem Hals und die wurde immerzu auf ihrem Schoß gerollt. Wenn alles ein wenig fest geworden war, wurde es über dem Ofen getrocknet und dann aus der Flasche geschüttelt. Kuhmilch hatten wir so gut wie nie.


Als die Zeiten wieder besser waren, wurde sonntags bei uns zu Hause immer etwas Besonderes aufgetischt. Zum Frühstück gab es Wurst, mittags einen Braten, vorneweg eine Suppe und nachmittags Streuselkuchen.


Mein Vater hatte irgendwann ein Stück Land gepachtet, auf dem wir Kartoffeln anbauten. In unserem großen Garten hinter dem Haus wuchs alles, was meine Mutter zum Kochen so brauchte: Erbsen, Kohlrabi, Blumen- und Weißkohl, Bohnen, Karotten usw.. Dadurch waren wir perfekte Selbstversorger. Im Garten wuchs ein wunderschöner Kirschbaum, der knackige Knorpelkirschen hervorbrachte. Das war meinem Vater zu verdanken, der ihn veredelt und in unseren Garten gesetzt hatte. Da fast alle Kinder in der schlechten Zeit unter Mangelernährung gelitten hatten, bekamen wir Kinder Lebertran, den meine Mutter kaufen musste.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich nicht zu den Kindern gehörte, denen die Quäker (4), eine amerikanische Wohlfahrtsgesellschaft, Pakete mit Kinderspeisung schickten. Dazu waren wir nicht bedürftig genug. Viele Kinder waren damals so arm, dass sie barfuß zur Schule gehen mussten.


Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Landwirtschaft noch keine Traktoren oder Mähmaschinen. Gras und auch Getreide wurden mit der Sense gemäht, das Getreide wurde in Strohpuppen gewickelt und in Garben zum Trocknen aufgestellt.

Im Winter wurde es dann auf der Tenne gedroschen. Bei größeren Bauern gab es aber schon Dreschmaschinen, die mit einem Göpel (5) angetrieben wurden. 1942, als ich auf Heimaturlaub war, habe ich noch geholfen, das ungedroschene Getreide mit Pferdegespannen in die Scheune zu fahren. Heute gibt es ja ganz moderne Mähmaschinen, die alles erledigen; Mähen, Dreschen, Reinigen und das Stroh verpacken.


Meine Großmutter, mütterlicherseits

Meine Großmutter war Botengängerin bei Fürst von Bismarck (6) gewesen. Das war ein besonderer Beruf, denn man musste Lesen und Schreiben können, und meine Großmutter konnte beides. Sie war sehr stolz, dass sie für 25 Jahre Dienst ein goldenes Kreuz bekommen hatte. Ich weiß noch, dass dieses Kreuz ganz leicht und bestimmt nicht aus Gold war. Wir Kinder mussten die Großmutter mit Respekt behandeln und sprachen sie mit „Ihr“ an.


So waren meine Eltern

In der Ziegelei war mein Vater der Mann für alles. Ihm oblag der gesamte Betriebsablauf, man kann sagen, er war damals der Betriebsleiter der Ziegelei. Auf das Betreiben meines Vaters wurde die Ziegelei von Grund auf modernisiert. Daran kann ich mich noch gut erinnern.

Er organisierte die gesamte Fertigung der Ziegelei von Lehmgrube, Kollergang (7), Presse, Maschinenraum und Trocknung bis zum Brennen im Ringofen. Die Lehmziegel wurden mit Hubwagen in den Trockenraum gefahren. Das war damals etwas ganz Neues. Der Trockenraum wurde mit der warmen Luft aus dem Ringofen beheizt. Mein Vater hat für seinen Job einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren und den Sprengmeisterschein machen müssen.


In der Gemeinde und im Kirchenvorstand war mein Vater ein geachteter und angesehener Mann. Alle haben ihn bewundert, denn er konnte einfach alles. Er konnte zum Beispiel ein kaputtes Grammophon reparieren oder die Taxe, die der Nachbar gekauft hatte und die nicht lief. Er brachte alles in Ordnung, jedem hat er geholfen, und nie nahm er Geld dafür – zum Leidwesen meiner Mutter.


Um die Erziehung seiner drei Kinder hat sich mein Vater allerdings so gut wie nicht gekümmert, aber er war ein liebevoller Vater und hat häufig für uns Kinder Partei ergriffen. Meine Mutter war streng, wir Kinder spürten oft den „Ochsenziemer“ (8), eine Art Peitsche mit Lederstreifen, mit dem sie uns bestraft hat. Gehorsam war für sie wichtig. Was sie sagte, wurde gemacht. Da gab es keine Diskussionen.


Sie hatte es auch wirklich nicht leicht, denn außer den drei Kindern war da auch ihre Mutter (meine Oma) und die Schwester meiner Oma bei uns aufgenommen. Insgesamt lebten wir mit sieben Personen zusammen.

In den ersten Jahren hat meine Mutter dazu noch in der Ziegelei gearbeitet. Beide, Mutter und Vater, waren gute Menschen, und sie führten eine vorbildliche Ehe. Streit oder böse Worte zwischen den beiden habe ich nie erlebt. Und es verging kein Schultag, an dem mir meine Mutter keinen Kuss mit auf den Weg gegeben hätte.


Mein Vater war in keiner Partei, aber man kann sagen, dass er den Sozialdemokraten am nächsten stand. Auf Hitler (9) und die Nazis (10) war er nicht gut zu sprechen, deshalb haben wir in der Familie gefürchtet, dass er eines Tages mal etwas zu viel oder etwas „Falsches“ sagen und dann abgeholt werden würde. Denn das wussten wir damals, dass es so etwas wie ein „Umerziehungslager“ gab.

Und wir kannten Personen, die dorthin gebracht worden, aber nie zurückgekommen waren. Das waren Kommunisten (11).


Beschäftigungen in meiner Kindheit

Meine Kindheit war von der Ziegelei geprägt. Mein Bruder und ich spielten auf dem Gelände und in den Gebäuden, wenn die Arbeiter weg waren. Einmal hat mich mein Bruder mit der Lore (12) überfahren, davon habe ich noch heute eine Narbe.

Vor unserer Wohnung standen zwei riesige Kastanienbäume. Wir liebten es, in diesen Bäumen zu klettern. Es gab in der Nähe einige Teiche, wo der Lehm für die Ziegelei abgebaut wurde. Darin gab es Aale, Frösche, Fische und Krebse, und wir haben dort viel gespielt.


Wenn die Ziegelarbeiter Pause hatten, baten sie mich oft, für sie Zigaretten zu kaufen. Etwa 500 Meter von uns entfernt war neben dem Restaurant „Bergschlösschen“ ein winziger Kolonialwarenladen, der Zucker, Mehl und ein paar andere Dinge verkaufte. Dort gab es auch Zigaretten. Sie hießen damals „Halpaus-Zigaretten“. Es gab sie in Blechschachteln, aber auch lose.

Die erste Zigarette, die ich rauchte, bot mir ein Mitschüler an, als ich etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt war. Mit ist damals so schwindlig geworden, dass ich nie wieder rauchen wollte. Ich glaube, das lag auch daran, dass in dieser Zigarette ein wenig Haschisch enthalten war. Das gab es schon damals. Eigentlich blieb ich mein ganzes Leben lang Nichtraucher, nur im Krieg und in Gefangenschaft habe ich gelegentlich geraucht, wenn ich dazu Gelegenheit hatte.


In unserer Umgebung gab es viele Kommunisten, und ich erinnere mich an ihre Gesänge: „Nie, nie wollen wir Waffen tragen, nie wieder Krieg, hey, lass die hohen Herren sich selber schlagen, wir machen einfach nicht mehr mit.“ Die Melodie kenne ich heute noch.

Oft denke ich, wir waren damals nach dem Ersten Weltkrieg so sicher, dass es keinen Krieg mehr geben würde, und wie haben wir uns getäuscht!

Wie war es möglich, dass 60 Millionen Menschen, darunter auch reiche und gut ausgebildete Menschen, dem Hitler gefolgt sind? Das waren doch nicht alles Idioten. Ich kann es nicht begreifen. Wahrscheinlich ging es um die ganz großen Geschäfte der Reichen.


In der Schule

Ich kam in die siebenklassige evangelische Volksschule in Waldenburg-Altwasser. Die siebte Klasse bestand aus Unter- und Oberstufe. Mein Schulweg war ungefähr anderthalb Kilometer lang. Ich ging gern in die Schule, denn die Lehrer waren in Ordnung. Aber es gab oft Schläge mit dem Rohrstock, sogar für die Mädchen. Normalerweise schlug der Lehrer auf die Finger, wenn jemand frech oder faul war. Bei besonders „schlimmen Verfehlungen“ sprang der Lehrer über die Pulte und es gab was auf Rücken und Hintern.


Während die männlichen Schüler sich mit dem Fach Geometrie herumplagten, hatten die Mädchen ein besonderes Fach: die Säuglingspflege. Allerdings gab es keinen Sexualkundeunterricht. Das bedeutete: Die Mädchen mussten nicht wissen, wie die Babys gemacht, sondern nur, wie sie gewickelt und gepflegt wurden. Auch zu Hause wurde über intime Dinge nie gesprochen.


Als Schuljunge – ich mag vielleicht zehn Jahre alt gewesen sein – wurde ich einmal ins Zimmer des Rektors geführt. Das war ein ganz besonderes Erlebnis für mich, denn der Rektor hatte in seinem Zimmer ein Telefon. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es war an der Wand befestigt, hatte eine Art Trichter zur Sprachverstärkung und eine Kurbel, die man drehen musste, um zu telefonieren. Heute läuft jeder zweite auf der Straße mit einem Handy am Ohr herum. Kaum eine Generation hat so viele grundlegende Änderungen technischer Art erlebt wie meine Generation. Heute, mit 95 Jahren, habe ich auch einen Computer und ein Handy. Das muss sein, denn mein Enkel ist Mathematiker und Informatiker, und er sorgt dafür, dass sein Opa technisch auf der Höhe bleibt.


Hitler und Hindenburg

Als ich noch die Schule besuchte, ich glaube, es war 1932, habe ich Hitler im Stadion von Waldenburg gesehen. Dort waren riesige Lautsprecher aufgebaut, und man konnte die Rede Hitlers gut verfolgen. Auch den Reichskanzler Hindenburg (13) habe ich gesehen. Das muss vor 1934 gewesen sein, denn in diesem Jahr starb er. Ich erinnere mich an sein von Polizeiwagen eskortiertes Automobil, bei dem die Schalthebel noch außen angebracht waren.


Ich war nie in der Hitlerjugend (14), denn es gab ausreichend Freizeitangebote für Jugendliche durch die evangelische Kirche und die Sozialdemokraten. Zweimal hat man mich gefragt, ob ich nicht in die Hitlerjugend eintreten wollte. Aber ich wollte nicht, und man hat mich nicht weiter gedrängt. Ich war im Turn- und im Schwimmverein, im Posaunenchor und im Gesangsverein.


In Waldenburg gab es drei Kinos, ein Kreiskrankenhaus, ein Knappschaftskrankenhaus, mehrere Sportplätze und ein Stadion, wo Hitler damals aufgetreten war. Einer der Fußballplätze wurde im Winter geflutet und diente dann als Eisbahn, auf der wir Schlittschuh gelaufen sind, die man sich unter die Schuhe schnallen konnte. Und es gab sogar ein Schauspielhaus, in dem auch Opern aufgeführt wurden. Es lag in Bad Salzbrunn, das zu Waldenburg gehörte. Ich ging besonders gern ins Kino.


Modellbauer-Lehre

Nach dem Schulabschluss Ostern 1932 hatte ich keine Ahnung, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Es gab damals schon eine Berufsberatung beim Arbeitsamt. Ich machte einige Tests, und man riet mir, Modellbauer zu werden, dafür sei ich gut geeignet. Modellbauer stellen Holzformen für die Gießerei her. Da ich noch nicht 14 Jahre alt war, musste ich bis August warten, bevor ich mit der Lehre in der Karlshütte in Waldenburg-Altwasser anfangen konnte.


Zwei Jahre später wurde die Karlshütte verkauft und geschlossen. Ich konnte aber die Lehre dann in der Wilhelmshütte beenden. Nach dem Ende der Lehrzeit habe ich noch ein paar Jahre als Geselle gearbeitet. Der Beruf des Modellbauers hat mir immer Freude bereitet und ich habe nie bedauert, ihn gelernt und ausgeübt zu haben – dann ging der Krieg los.


(1) Der 1. Weltkrieg wurde von 1914 bis 1918 in Europa, in Vorderasien, in Afrika, Ostasien und auf den Ozeanen geführt. Etwa 17 Millionen Menschen verloren durch ihn ihr Leben. Er begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien … und endete am 11. November 1918.

Als 2. Weltkrieg wird der zweite global geführte Krieg sämtlicher Großmächte im 20. Jahrhundert bezeichnet. In Europa begann er am 1. September 1939 mit dem von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen … Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endeten die Kampfhandlungen in Europa am 8. Mai 1945.

Quelle: wikipedia


(2) Waldenburg-Altwasser (heute Stary Zdróg) war ehemals schlesisch, heute polnisch.

Quelle: wikipedia


(3) Inflation, auch Preissteigerung oder Teuerung, bezeichnet den Anstieg des Preisniveaus einer Ökonomie über einen bestimmten Zeitraum.

1923 begannen die Monate der Hyperinflation, die noch Generationen von Deutschen als Beispiel für die Schrecken einer Inflation verfolgten. Immer schneller verzehnfachte sich die Abwertung gegenüber dem US-Dollar, bis schließlich im November 1923 der Kurs für 1 US-Dollar 4,2 Billionen Mark entsprach.

Quelle: wikipedia und Fußnote aus dem Buch „Man wird gelebt“


(4) Das Quäkertum ist eine religiöse Gesellschaft mit christlichen Wurzeln in England der 1650er Jahre. … Eine Grundlage der Weltanschauung der Quäker ist der Glaube, dass das Licht Gottes in jedem Menschen wohnt … Demzufolge hat jeder einzelne Mensch einen einzigartigen Wert, woraus sich die intensiven Bemühungen der Quäker verstehen lassen, Erniedrigung und Diskriminierung von Individuen und Gruppen zu verhindern …

Quelle: wikipedia


(5) Ein Göpel ist eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung einer Antriebskraft durch Menschen, Tiere, Wasserkraft, Windkraft oder mit Dampf. Göpel kamen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert vor allem im historischen Bergbau als Förderanlage zum Einsatz. Später wurden sie auch in der Landwirtschaft zur Bewegung von landwirtschaftlichen Maschinen eingesetzt.

Quelle: Fußnote aus dem Buch „Man wird gelebt“


(6) Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg (1815 – 1898) war ein deutscher Politiker und Staatsmann, in Preußen Ministerpräsident und von 1867 bis 1871 zugleich Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes. Von 1871 bis 1890 war er erster Reichskanzler des Deutschen Reiches, dessen Gründung er maßgeblich vorangetrieben hatte. Bismarck gilt als Vollender der deutschen Einigung und als Begründer des Sozialstaates der Moderne.

Quelle: wikipedia


(7) Der Kollergang ist ein Mahlwerk zum Zerkleinern und zum Mischen von Steinen, Erzen oder Lebensmitteln. Ein bis zwei aufrecht stehende schwere Scheiben, die sogenannten Läufer, drehen sich auf einer Bodenplatte um eine senkrechte Achse und zermahlen so den Inhalt.

Quelle: Fußnote aus dem Buch „Man wird gelebt“


(8) Ein Ochsenziemer ist eine Schlagwaffe, die aus einem gedörrten und verdrillten Stierpenis hergestellt wird. Er hat eine fertige Länge von 80 bis 100 cm, ist sehr elastisch und verhältnismäßig schwer.

Quelle: wikipedia


(9) Adolf Hitler (1889 in Österreich-Ungarn – 1945 in Berlin) war von 1933 bis 1945 nationalsozialistischer Diktator des Deutschen Reiches. Ab Juli 1921 Vorsitzender der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), versuchte er im November 1923 mit einem Putsch von München aus die Weimarer Republik zu stürzen. Mit seiner Schrift „Mein Kampf“ (1925/26) prägte er die antisemitische und rassistische Ideologie des Nationalsozialismus. Er wurde von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30.01.1933 zum deutschen Reichskanzler ernannt. Innerhalb weniger Monate beseitigte sein Regime mit Terror, Notverordnungen, dem Ermächtigungsgesetz, Gleichschaltungsgesetzen, Organisations- und Parteiverboten die Gewaltenteilung, die pluralistische Demokratie, den Föderalismus und den Rechtsstaat. Politische Gegner wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, gefoltert und ermordet. 1934 ließ Hitler anlässlich des „Röhm-Putsches“ potenzielle Rivalen in den eigenen Reihen ermorden. Hindenburgs Tod am 2.8.1934 nutzte er, um das Amt des Reichspräsidenten mit dem Reichskanzler vereinen zu lassen und regierte seither als „Führer und Reichskanzler“.

Quelle: wikipedia


(10) Nazi ist ein Kurzwort für Anhänger des Nationalsozialismus


(11) Kommunisten sind Anhänger des Kommunismus, ein um 1849 in Frankreich entstandener politisch-ideologischer Begriff mit mehreren Bedeutungen …

Der Begriff steht für deine dauerhaft sozial gerechte und freie Zukunftsgesellschaft und wurde im 19. Jahrhundert geprägt ... Bekanntester Vertreter des Kommunismus war Karl Marx (1818 – 1883). Nach der Theorie von Marx und dessen engem Weggefährten Friedrich Engels (1820 – 1895) könne sich der Kommunismus aus dem Kapitalismus, einer Wirtschaftsordnung, in der sich die Kapitalistenklasse und die Arbeiterklasse (Proletariat) als Gegner gegenüberstehen (Klassenkampf), nur durch eine revolutionäre Übergangsgesellschaft (Diktatur des Proletariats) entwickeln …

Quelle: wikipedia


(12) Eine Lore ist ein Transportwagen auf Schienen

Quelle: wikipedia


(13) Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (1847 – 1934) war ein deutschen Generalfeldmarschall und Politiker im Ersten Weltkrieg. Er übte die von ihm geführte Heeresleitung von 1916 bis 1918 de facto diktatorisch die Regierungsgewalt aus. Hindenburg wurde 1925 zum zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt. Er wurde bei der Reichspräsidentenwahl 1932 wiedergewählt und blieb bis zu seinem Tod im Amt. Nachdem er den Nationalsozialisten Adolf Hitler mehrmals als Regierungschef abgelehnt hatte, ernannte er ihn am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. In der Folge ermöglichte Hindenburg der NSDAP, eine Diktatur zu errichten.

Quelle: wikipedia


(14) Die Hitler-Jugend (HJ) war die Jugend- und Nachwuchsorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) von 1926 – 45. Sie wurde ab 1926 nach Adolf Hitler benannt und unter der Diktatur des Nationalsozialismus in Deutschland ab 1933 zum einzigen staatlich anerkannten Jugendverband mit bis zu 8,7 Millionen Mitgliedern (98 Prozent aller deutschen Jugendlichen) ausgebaut.

Quelle: wikipedia


Auszug aus „Man wird gelebt“, erzählt von Gerhard W., aufgeschrieben von Rosi A. (2013), bearbeitet von Barbara H.


Symbolfoto 1 (Wäsche): Ellen26/Pixabay

Symbolfoto 2 (Waschbrett): privat; Barbara H.

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